Kunst und Spiritualität
Welche Formen nimmt Spiritualität für zeitgenössische Künstler*innen an und in welcher Beziehung steht ihr spirituelles Suchen zu der Art und Weise, wie sie ihre künstlerischen Erkundungen verstehen und durchführen?
Einerseits ist künstlerische Kreativität ein zentrales Merkmal bedeutender Formen der Spiritualität. Mystiker*innen schweigen nicht, nachdem sie sich mit der göttlichen Realität beschäftigt haben, die nicht in Worten oder in Konzepten ausgedrückt werden kann. Sie stehen vielmehr vor der Mühe, das Erlebte zu kommunizieren, und teilen damit die Aufgabe der Künstler*innen: dem, was in keiner Sprache vollständig erfasst werden kann, Wort, Form, Farbe oder Klang zu verleihen.
Kreativität in Bezug auf Spirituelle Erfahrungen umfasst heute verschiedenste Phänomene wie Pluralismus; Deinstitutionalisierung religiöser Erfahrungen, Überzeugungen und Praktiken sowie die Hinwendung der westlichen Moderne zur Subjektivität als dem ursprünglichen Ort von Autorität und Bedeutung. Spiritualität entwickelt sich und gedeiht heute über die Grenzen geregelter Glaubensbekenntnisse und institutioneller Vorschriften hinaus.
Die semantische Offenheit und Ambivalenz des Begriffs „Spiritualität“, der in verschiedenen Bedeutungen verwendet werden kann und nicht immer eine Beziehung zu einer göttlichen Realität bezeichnet, ist ein Kennzeichen unserer Gegenwart. Jeder Mensch muss die Aufgabe übernehmen, dem Leben und der Wirklichkeit einen Sinn zu geben. Diese „schwierige und angsteinflößende Aufgabe, eine eigene kleine Welt aufzubauen“ (Berger, Peter.2014.The Many Altars of Modernity. Toward a Paradigm for Religion in a Pluralist Age. Boston/Berlin: De Gruyter, p. 14) erfordert vom Einzelnen ein hohes Maß an Kreativität. Die Künstlerinnen Maria Müller und Dorothea Bernd sowie der Künstler Ryo Kato nehmen uns in ihren Ausstellungen mit auf ihre mühevolle Suche, spirituellen Erlebnissen Wort, Form, Farbe und Klang zu verleihen und zeigen uns ihre kleine Welt in der die Fragen der Großen sich wiederspiegeln.